Heidruns Trinkstübchen
Im Winkel von zwei sich kreuzenden Straßenbahnlinien im täglichen Minutentakt, unter drei Platanen und einer rotierenden Litfasssäule, zwischen Haltestelle und Fußgängerampel liegt Heidruns Trinkstübchen. Wenn Vater und Sohn, wenn die beiden Betreiber aus dem Kiosk über den Tresen Kaffee, Bier oder Zeitungen gegen Scheine und Münzen tauschen, könnten sie die Fahrt der 14 entlang der Wittelsbacher verfolgen.
Dabei sollten sie aber nicht träumend auf dem Tresen verharren, denn erstens würden dann die darauf liegenden Brötchen zerdrückt und zweitens würden sie Kalles Auftritt verpassen. Kalle spielt nicht im Nebenraum Lotto. Ihn interessiert auch erst mal nicht die auch auf dem Tresen neben dem Zucker liegende Bildzeitung. Kalle hat einen Helm auf, Kalle trägt Leder, Kalle hat einen Vollbart und Kalle hat ein Motorrad, ein rotes, ein großes. Aufkleber sind darauf, sein Helm ist schwarz beschriftet „PD“ - Policedepartment. Kalle fährt nicht Motorrad, Kalle patrouilliert auf der Straße und kann sich noch heute an einen selten genutzten altdeutschen Gruß erinnern.
Auf einem alten Zeitungsfoto von Heidruns Trinkstube erkennt Kalle Blondie. Blondie stand auf dem Bild am Tresen, Blondie ist heute tot, von den anderen hört man heute auch nichts mehr. „He Beppo!“ „Ja?“ „Ein Seemann kommt neu aufs Schiff“ „Und?“ „Sagt der andere: «Von Montag bis Samstag kannste hier ficken» «Was iss am Sonntag?» «An Sonntag, an Sonntag, stehst Du inner Kiste.»“
„Der Kalle hat ein Wappen für Heidrun entworfen, da oben hing es, jetzt isses weg.“ Das goldene Gitter der Trinkhalle ist noch da, es ist gut verankert. Handarbeit und Einzelstück, sowas gibt’s nicht noch mal in Frankfurt. Während Hubert, der Fotograf, auf den richtigen Moment wartet, warten auf die Straßenbahn, warten auf die Wolke, Fotografieren hat was Meditatives, patrouilliere auch ich, um die Trinkhalle: Ein Kondom- und Toyautomat zeugt davon, dass Sex an Trinkhallen mehr ist, als die St. Pauli Nachrichten. Jede Wand der Trinkhalle bietet nützliches, Bierbänke, Werbetafeln für Kulturprodukte, weitere Türen.
Die Straßenbahn kommt, wie auch das Licht zum Fotografen, „Auf Kalle! Da kann man schon mal das Motorrad zeigen!“ Der Moment wird festgehalten. Warum müssen Fotografen eigentlich immer so komische Körperbewegungen machen, wenn sie einen Apparat in der Hand halten?
Heidruns Trinkstübchen, Frankfurt am Main, auf der Kreuzung von Saalburgallee / Wittelsbacher Straße, Öffnungszeiten täglich 6-23 Uhr
Heidruns Trinkstübchen, Frankfurt am Main, auf der Kreuzung von Saalburgallee / Wittelsbacher Straße, Öffnungszeiten täglich 6-23 Uhr
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