Wasserhäuschen von Ratomir Cverovic
Es nieselt an diesem Tag, so empfängt
uns erst einmal nur die Reklame der Bildzeitung. Der Wirt lässt sich
vom Fernseher die Bundesliga vom Vortag zusammenfassen. Bei diesem
Wetter hat er seinen Stammplatz im Hinterraum, der gleichzeitig
Wohnzimmer und Küche ist. Ratomir suchte einst sein Glück auf
Deutschlands Baustellen, seit über 40 Jahren heißen Cevapcici für ihn nun Frikadellen. Fünf Jahre Bau waren ihm genug und er
legte die Kelle beiseite. Statt Steinen schleppt er nun Kisten und
steht hinter einem Tresen. Vor 35 Jahren lief das Geschäft, 20.000
DM musste er als Eintrittpreis für die Selbständigkeit zahlen. Seit
dem ist er Trinkhallenpächter.
Den Kaffee serviert er in der
Porzellantasse, die er auch als Kaffee-Service verkauft. Er verkauft auch
Damenschuhspanner, das Stück für 1,99 Euro. Die Kühlschränke
müssten das gleiche Lebensalter wie das Häuschen haben: 1950er
Jahre, gebaut von Firma Jöst. Damit ist es einer der ältesten, die in
diesem Zustand in Frankfurt existieren. Die Thekenlänge
entspricht noch damaligen Notwendigkeiten, fast acht Meter.
Trinkhallenhistoriker freuen sich, wenn sie unter dem Lack an einigen
Stellen die originale rote Jöst-Lackierung erkennen. Auch selten,
aber nützlich ist das im Verkaufsraum hängende Waschbecken, zum
Obst waschen, zum Zähne Putzen, für Kaffeewasser.
Der Gast neben uns nennt sich „der
Rauschebart“. Der Rauschebart braucht für den Bundesligatipp ein
Bier. Dabei fällt ihm der letzte Woche gewonnene 500 Euro Schein aus
dem zerknitterten alten Tippschein „Ach hier isser, ich hatte ihn
schon gesucht.“ Vor Jahren hatte er noch Anteile bei der Berliner
Eastsidegallerie, die „heute mit Geldscheinen gepflastert“ ist.
Er kennt sich aus in Frankfurt, „ich brachte auch damals die zwei
Trinkhallenräuber, die Frau Hoff mit einer Waffe bedrohten zur
Strecke“ und beißt dabei in die Blutwurst. Die Eastsidegallerie
hat bis heute kein Bild von ihm. Sein Hund beobachtet die Szene und
verweist Ungebetene kurz und präzise des Feldes. Er weiß wer
hierher gehört.
Neben der Trinkhalle ist eine Schule,
Kinder finden jedoch selten den Weg zu Ratomirs Fruchtgummis. Es
sieht ganz so aus, als blieben die auf den Kühlschränken
gestapelten Papiertüten noch lange ungenutzt. Wahrscheinlich wird
Ratomir der letzte Betreiber dieser Trinkhalle sein.
Öffnungszeiten täglich 10-22.30 Uhr, Berkersheimer Weg 32a
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